Claudia Wengenroth: Dort, wo die Zeit entsteht

Claudia Wengenroth hat für ihren ersten Roman den Titel „Dort, wo die Zeit entsteht“ gewählt. Im Untertitel nennt sie es „Roman einer Selbstfindung“. Erschienen ist das Buch im Diederichs Verlag.

Claudia Wengenroth: Dort, wo die Zeit entsteht
Claudia Wengenroth: Dort, wo die Zeit entsteht

Claudia Wengenroth – die Autorin

Geboren wurde die Autorin 1971 in Leipzig. Auf eine Ausbildung zur Physiotherapeutin folgte das Medizinstudium. Inzwischen liegt ihr Lebensmittelpunkt im Weserbergland, wo sie als Ärztin tätig ist. Vor ihrem ersten Roman hat sie bereits einen Gedichtband unter dem Titel Steingesänge veröffentlicht.

Das Buch und sein Inhalt

Die junge Ärztin Katharina sucht im tiefsten Winter eine Auszeit von ihrer Arbeit. Kurzentschlossen packt sie ein paar Sachen und fährt zur Berghütte ihrer Familie, um allein mit sich zu sein. Die Hütte wird nur noch selten genutzt. Aber die alte Bergbäuerin Irmelin kümmert sich schon seit vielen Jahren um das urige Gebäude.

Katharinas Aufenthalt entwickelt sich ganz anders, als sie es sich vorgestellt hat. Nächtliche Träume verwirren sie. Irmelin erscheint ihr in ihrer spröden Art sehr rätselhaft. Alte Geschichten und kleine Andeutungen hinterlassen bei der jungen Frau ein mulmiges Gefühl. Sie verstrickt sich immer mehr in ihre nächtlichen Träume. Und die Bergwelt mit ihren Naturgewalten wirkt immer bedrohlicher auf sie.

Doch als sie schließlich Traum und Wirklichkeit kaum noch auseinanderhalten kann, beginnt sie, mit sich ins Reine zu kommen. Und dank einer uralten Geschichte, die irgendwie aus ihr selbst zu kommen scheint, findet sie schließlich zu sich selbst.

Meine Meinung und Fazit

Die Geschichte hat ein ganz eigenes, langsames Tempo. Zunächst nähern wir uns Berg und Hütte aus Irmelins Perspektive. Dann sehen wir immer mehr durch die Augen der jungen Ärztin Katharina. Eingestreut ist noch eine dritte Perspektive, bei der ein neugieriger junger Bergwind eine Rolle spielt.

Wir steigen zusammen mit Katharina langsam in die magisch-mythische Bergwelt hinauf und wieder hinab. Traum und Wirklichkeit vermischen sich. Da können Raben sprechen, spielt ein Kaninchen eine wichtige Rolle, ein Riese und ein Zwerg, eine alte Hütte, ein Bach und ein Keller, den es nicht geben kann.

Gut gefallen hat mir folgende Passage im Buch:

„Du nimmst dir also vor, über etwas, das dich beschäftigt, nicht nachzudenken?“
„Ja, genau.“ Katharina seufzt und nickt.
„Interessant.“
Nach einer Weile, die beiden schweigen und sehen vor sich auf den felsigen Boden der Kellerkammer, fragt das Kaninchen freundlich:
„Und? Hat es funktioniert?“
„Na, eben nicht. Auch wenn’s gut gewesen wäre.“

Die Geschichte fließt langsam dahin, wie ein kühler Bergbach. Die Zusammenhänge erschließen sich erst nach und nach. Das sprechende Kaninchen und das Hinabsteigen in den Keller, den es eigentlich nicht geben kann, die Vermischung von Traum und Wirklichkeit – all das erinnert mich ein wenig an „Alice im Wunderland“.

Nach der Lektüre klingt die Geschichte nach. Kein Aha-Erlebnis, keine vordergründigen Lebensweisheiten, aber da ist etwas in den Bildern, die dieser Roman zeichnet. Irgendwie ein wenig spröde, so wie Irmelin, aber sprachlich und bildhaft dicht. Und darum aus meiner Sicht mindestens einen Leseversuch wert – passend für die kommenden Wintertage!

Bibliographische Angaben und Bestellmöglichkeit

Claudia Wengenroth: Dort, wo die Zeit entsteht
Diederichs Verlag München, 1. Auflage 2020
Fester Einband, 176 Seiten, Preis: 18 Euro [D]
ISBN 978-3-424-35113-2

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