Jean-Paul Didierlaurent: Die Sehnsucht des Vorlesers

Eins vorweg: Das Schönste kommt zum Schluss – obwohl das Ende dieser zauberhaften kleinen Geschichte offen angelegt ist.

Jean-Paul Didierlaurent: Die Sehnsucht des Vorlesers
Jean-Paul Didierlaurent: Die Sehnsucht des Vorlesers

Worum geht es im Buch?

Jean-Paul Didierlaurent erzählt uns in „Die Sehnsucht des Vorlesers“ von literaturbegeisterten Büchernarren. Allesamt sind es „verschrobene Gestalten“, die viele, teils skurril wirkende Eigenarten in ihrem Leben entwickelt haben. Zwei davon arbeiten in einer Papierverwertungsanlage, die täglich tonnenweise Bücher verschlingt. Der Pförtner spricht bevorzugt in Reimen und zitiert aus Klassikern. Der Maschinenführer, Hauptfigur der Geschichte, rettet jeden Tag einzelne Seiten vor der endgültigen Vernichtung und hat es sich zur Gewohnheit gemacht, diese Fragmente auf der morgendlichen Bahnfahrt zur Arbeit seinen Mitreisenden laut vorzutragen. Und dann ist da noch der Arbeitskollege, der bei einem Arbeitsunfall beide Beine verlor und seitdem alle Exemplare eines ganz bestimmten Buchtitles sammelt. Warum – das wird im Laufe der Erzählung klar.

So könnte das Leben der Figuren endlos, trist und traurig weitergehen. Doch dann findet besagter Maschinenführer eines Morgens in der Bahn einen USB-Stick. Und was er darauf findet, wird sein Leben verändern …

Meine Meinung

Anfangs stolperte ich ein wenig in die Geschichte hinein. Der französische Name der Hauptfigur und der zugehörige Wortwitz, der Wechsel zwischen der eigentlichen Geschichte und den eingestreuten Buch-Ausrissen, die dem Leser das Vorgetragene präsent machen. Das wirkte auf mich zu Beginn noch etwas zu mosaikartig.

Doch schon bald habe ich die verschrobenen Typen und die zauberhaft geschilderten kleinen Alltags-Begebenheiten lieb gewonnen. Als sich die Geschichte dann mit dem USB-Stick in eine Art Detektiv- und Liebesgeschichte zu wandeln begann, war ich längst in der Geschichte angekommen.

Dieses Buch atmet für mich in seinen Alltags-Schilderungen die typisch französische Leichtigkeit, wo kleine Verrücktheiten zum Leben gehören und Freundschaft und Liebe den Alltag in allen Regenbogenfarben leuchten lassen. Gerade das offen angelegte Ende ist ein wunderschöner Schluss-Akkord für dieses kleine Erzähl-Juwel!

Hinzu kommt die schöne, sehr liebevolle Gestaltung der Taschenbuch-Ausgabe: Buchdeckel und Titel mit Prägung, in Schrift- und Hintergrundfarbe verschieden gestaltete Seiten im Innenteil.

Da sehe ich gerne auch über kleine Fehler hinweg: Eine Seite ist versehentlich noch so gestaltet, als gehöre sie zum Ausriss, obwohl hier bereits der Hauptstrang der Erzählung fortgeführt wird. Und einmal ist von einer ISBN-Nummer die Rede. Räusper. Entweder ISB-Nummer oder ISBN, das „N“ in der Abkürzung steht schließlich bereits für „Nummer“. Gerade in einem Buch über Literatur-Liebhaber sollte das korrekt verwendet werden. Aber darüber habe ich schon in meiner Buchhändlerzeit mit den Azubis diskutiert.

Beides sind letztlich Marginalien, die den Zauber der Geschichte nicht brechen können. Darum mein ganz klarer Tipp: Lesen!

Bibliographische Angaben und Bestellmöglichkeit

Jean-Paul Didierlaurent, Die Sehnsucht des Vorlesers
dtv Taschenbuch, 223 Seiten
ISBN 978-3-423-21676-0, Preis: 9,95 € [D]

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